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Veränderte Wahrnehmung durch VFX


Der Alltag im 21. Jahrhundert ist geprägt von Blendungen, Sinnestäuschungen und Suggestionen.

Schon sehr lange wird die Welt im gemalten oder auch fotografischen Bild erschlossen. Und es wurde auch seit jeher dieses Bild verändert bzw. versucht die Wahrnehmung von Menschen zu manipulieren. In den letzten Jahrzehnten wurde die digitale Bildbearbeitung und die Möglichkeit per Computer realistisch wirkende Bilder zu generieren, immer weiter verbessert. Umso vermehrt werden diese Techniken inzwischen auch eingesetzt. Da diese Manipulation von Bildern inzwischen so ausgereift ist, bemerken Betrachter:innen diese kaum mehr und somit entfällt auch die Bewertung und Reflexion darüber. Ganz normal erscheinen uns inzwischen die Körper ohne Makel oder aber auch vollkommene Landschaften. Durch die Integration von KI-Technologien in Kameras, Bildbearbeitungssoftware, Automatisierung und sogar Kunst hat sich unsere Wahrnehmung des Visuellen grundlegend verändert.

In Filmen werden diese digitalen Verfahren auch eingesetzt, um Zuschauer:innen durch die Zusammensetzung fremder Welten, unmöglicher Ereignisse, Einsichten und Ausblicke zu überraschen oder zu irritieren. Häufig dienen sie aber auch dazu historische Zusammenhänge bildlich zu rekonstruieren. Mit Hilfe der digitalen Verfahren wird das Verhältnis von Fiktion und Realität neu definiert. Meist wissen wir, dass es sich bei Szenen oder Bildern um digital zusammengesetzte Bilder handelt, die Wirkung auf die Zuschauer:innen ist trotzdem gegeben: wir sind irritiert oder belustigt oder beides zugleich.

Inhalt

Wie funktioniert Wahrnehmung?

Wahrnehmung …

… funktioniert in drei interagierenden Schritten:

  • Verarbeitung von Sinnesreizen in den Sinnesorganen
  • Organisation der Wahrnehmung
  • Bedeutungszuweisung und Erkennen

Diese drei Prozesse beeinflussen sich gegenseitig und sind wissensabhängig.

… wird durch absolute und relative Schwellen begrenzt. Einige dieser Schwellen sind biologisch vorgegeben, andere sind durch Motivation und durch bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit veränderbar.

… erfolgt hypothesengesteuert: Erwartungen über das, was da sein müsste, steuern den Wahrnehmungsvorgang und ersetzen teilweise auch das tatsächliche Abtasten der Reizvorlage. Für das menschliche Gehirn ist keine Unterscheidung von konstruierten und real vorhandenen Daten möglich. Die zugrunde liegenden Hypothesen entstehen durch Vorahnungen aufgrund von Erfahrungen und Motiven.

… nimmt Fehleranfälligkeit in Kauf, um Effizienz und Schnelligkeit zu erreichen: Die hypothesengesteuerte Organisation von Sinnesreizen dient einer schnellen, eindeutigen, stabilen und damit sicheren Orientierung im Raum; damit ist eine Anfälligkeit für Irrtümer und Täuschungen untrennbar verbunden.

Wahrnehmung bedeutet also, die Umwelt mit seinen Sinnesorganen zu erfassen und einzuordnen, um eine entsprechende Reaktion vorzubereiten. Obwohl bei der menschlichen Wahrnehmung mehrere Sinne miteinander interagieren, sollte der visuellen Wahrnehmung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Mehr als 50% der uns zur Verfügung stehenden Gehirnkapazität ist in verschiedener Weise an der Interpretation bzw. Analyse von visuellen Reizen beteiligt. Die visuelle Wahrnehmung basiert auf Lichtreizen, die auf die Netzhaut unseres Auges treffen. Diese Informationen, die zu diesem Zeitpunkt auf unserer Netzhaut ankommen, sind sehr komplex.

Die ständige Konfrontation mit manipulierten Bildern führt dazu, dass das vorhandene Gedankennetz in unserem Gehirn immer mehr befüllt wird. Die von uns gespeicherten Bilder manifestieren sich zur Wirklichkeit. Anstatt andere Aspekte der Realität zu ergänzen, baut sich ein bestimmter Blickwinkel in unserem Gehirn zu einem Gedankengebilde auf.
Digitale Medien verändern unseren Alltag. Ihr Einfluss schlägt sich in unseren neuronalen Strukturen nieder, was Forscher:innen mithilfe eines Tomografen messen und teilweise sogar sichtbar machen konnten.

Intensive Mediennutzung verändert Wahrnehmungsgewohnheiten, Konzentration, Erinnerungsvermögen, Lernfähigkeit und soziale Kompetenz. Obwohl die auf der Retina ankommenden Lichtreize eine objektive „Datenbasis“ darstellen, ist der Prozess des Sehens und der visuellen Wahrnehmung ein aktiver, konstruktiver Prozess. Der Prozess der Wahrnehmung umfasst aber nicht nur die Aufnahme und Verarbeitung von Reizen. Vielmehr geht es bei der visuellen Wahrnehmung auch um das Erkennen. Unser Gehirn bestimmt, was wir sehen und wie wir etwas sehen und wird dabei durch implizite Annahmen genauso wie durch individuelle Erfahrungen beeinflusst.

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Geschichte der visuellen Effekte geht zurück bis ins Jahr 1878, als der britische Fotograf Edward Muybridge (1830-1904) mit seinem Werk „The Horse in Motion“, den Grundstein für die Animation legte. Erstmals wurde es mit Methoden der Fotografie möglich, die Bewegung der Pferde exakt wiederzugeben.

Vor der Zeit der digitalen Computergrafiken und Animationen wurden visuelle Effekte auf rein technische Weise gelöst. Mit Hilfe von Miniaturmodellen, Stop-Motion-Techniken und Hintergrundprojektionen gab es Möglichkeiten, verschiedene Illusionen in Filmen zu kreieren. Filmklassiker wie „Ben Hur“ aus dem Jahre 1959 nutzten Glasplatten mit gemalten Bild-Ergänzungen, sogenannte Matte Paintings. Man baute nur den unteren Teil des Kolosseums nach und ergänzte dann die oberen Reihen optisch. Der selbe Trick kam bei den alten Star Wars Filmen zum Einsatz.

„Metropolis“ von Fritz Lang gilt als der erste Science-Fiction-Film überhaupt und setzte neue Maßstäbe im Bereich der visuellen Effekte, da er ein wahres Sammelsurium an Tricks in einem Film vereint. Eine der beeindruckendsten Effekte stellt dabei die belebte Stadtansicht von Metropolis dar, wobei für die Animationen der Schnellbahnen, Autos, Flugzeuge oder Passant:innen der Stopptrick verwendet wurde.

Je nachdem wie weit die Objekte scheinbar von der Kamera entfernt waren, wurden sie nach jeder Einzelbelichtung entweder um wenige Millimeter oder sogar um Zentimeter bewegt. Diese aufwändige Animation ist jedoch nur eine von vielen, bei der sich die Tricktechniker:innen austoben konnten.

Heute werden mit Hilfe von verschiedenen Computerprogrammen Dinge in Realfilmaufnahmen eingebaut, entfernt, geändert oder neue Charaktere erschaffen. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Im Effektbereich werden vor allem Medien wie Nebel, Wind, Wasser, Feuer und vieles mehr hinzugefügt. Farbe, Licht, Schatten, Bewegung – alles kann beliebig verändert werden. Im anschließenden Compositing werden die erstellten Effekte dann mit den Realaufnahmen kombiniert und angepasst. Kaum ein Hollywood-Blockbuster greift heute nicht in diese digitale Trickkiste.

Realismus im Film

Ist es möglich die Realität in einem Film darzustellen?

Das Gesehene ist doch in gewisser Weise immer eine kreierte Wirklichkeit der Regisseur:innen. Ein Film basiert auf ausgedachten Drehbüchern. Auch bei Erzählungen nach wahren Begebenheiten ist die Geschichte immer konstruiert. Quasi eine Illusion einer Realität basierend auf der existierenden Welt. Doch wird die Handlung für die Betrachter:innen in diesem Moment als Realität erlebt. Sie übersehen dabei den zeitlichen Bluff, der durch den Schnitt produziert wird. Die Handlung wird dadurch gebrochen. Ebenso das örtliche Trugbild, das durch die verschiedenen Kameraeinstellungen erzeugt wird. Die Betrachter:innen sind also in der Lage, das Gesehene zu einer zusammenhängenden Handlung zu kombinieren.

Das Medium Film ist nicht an Raum und Zeit gebunden. Deshalb entspricht ein Spielfilm nie der Realität, sondern lediglich einer Illusion davon, die man eigentlich nur mit seiner Realität in Verbindung bringt. Diese ohnehin schon passierenden Blendungen werden mit Hilfe von visuellen Effekten nun erweitert und ermöglichen den Betrachter:innen, in die fiktive Welt einzutauchen.

Künstliche Intelligenz

Die Verwendung von KI hat die Art und Weise wie wir Bilder aufnehmen und bearbeiten revolutioniert. Moderne Kameras sind mit intelligenten Algorithmen ausgestattet, die automatisch Fokus, Belichtung und andere Einstellungen anpassen, um optimale Bilder zu erzeugen. Darüber hinaus schafft Bildbearbeitungssoftware die auf KI basiert erstaunliche Möglichkeiten zur Verbesserung von Bildern, Entfernung von Objekten oder sogar zur Erstellung komplett neuer Szenarien. Diese Werkzeuge haben es nicht nur professionellen Fotograf:innen, sondern auch Amateur:innen ermöglicht beeindruckende Bilder zu erstellen und zu teilen, was zu einer Flut von visuellen Inhalten in sozialen Medien geführt hat.

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Verwendung von KI zur Automatisierung visueller Aufgaben. In Bereichen wie der Überwachung, der medizinischen Bildgebung und der industriellen Inspektionen hat KI die Effizienz und Genauigkeit erheblich verbessert. Maschinelles Lernen ermöglicht es Computern, Muster und Anomalien in Bildern zu erkennen, was zu schnelleren Diagnosen, präziseren Inspektionen und insgesamt zu einer höheren Produktivität führt.

Die KI hat jedoch nicht nur technische Aspekte der visuellen Wahrnehmung verändert, sondern auch kreative und künstlerische Bereiche beeinflusst. Durch die Verwendung von „Generative Adversarial Networks“ (GANs) können KI-Systeme Bilder generieren, die von menschlichen Künstler:innen kaum zu unterscheiden sind. Diese Technologie hat nicht nur die Kunstwelt erschüttert sondern auch ethische Fragen aufgeworfen, insbesondere im Hinblick auf Authentizität und Urheberrecht.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Verwendung von KI-basierten Tools zur visuellen Manipulation die Authentizität und Glaubwürdigkeit von Bildern generell untergräbt. In einer Welt, in der Bilder eine große Rolle spielen, um Informationen zu vermitteln und Geschichten zu erzählen, ist es entscheidend, dass wir die Integrität und Echtheit der visuellen Inhalte bewahren.

Insgesamt hat die Verwendung von KI im visuellen Bereich zu einer Revolution in der Art und Weise geführt, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Von der Fotografie bis zur Kunst, von der Industrie bis zur Medizin – KI hat das Potenzial, unsere visuelle Erfahrung zu erweitern und zu verbessern. Es muss sichergestellt werden, dass diese Technologie verantwortungsbewusst eingesetzt und die ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden.

Manipulation im Alltag

„Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr.“ (Demosthenes, griechischer Redner, 345 v. Chr.) Soziale Medien sind in digitalen Gesellschaften nicht mehr wegzudenken sowie Taktgeber der Öffentlichkeit, der Politik und des Privatlebens weltweit. Die Idee dahinter ist es Menschen zu vernetzen. Hierzu stehen den Nutzer:innen Medien in Form von Bild, Ton und Text zur Verfügung.

Im Vergleich zum Film suggerieren Alltagsmedien Dinge meist auf eine andere Art und Weise. Hierbei sind der Hintergrund und der Einsatz von visuellen Effekten nicht so ausschlaggebend, um eine andere Realität widerzuspiegeln, wie im Spielfilm. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch vorkommt dass ein Videoclip im Internet mit visuellen Effekten arbeitet, um Dinge zu verändern. „Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.“ (Salvador Dali, spanischer Maler, 1904-1989)

Das Gehirn konstruiert ständig Realität. Es versucht die Realität auf Echtheit zu prüfen. Gedanken verändern unsere Welt und Ansichtsweisen. Wenn somit der Gedanke getäuscht wird – wo beginnt die Realität und wo die Manipulation. Forscher:innen sprechen hier von illusorischer Korrelation – was nicht passt wird passend gemacht. Unsere Realität und die sogenannte filmische Realität sind nicht ein und dasselbe. Gerade Kultfilme wie „Matrix“, „Fight Club“ und „Inception“ spielen geschickt mit unserer Wahrnehmung – und manipulieren sie.
Wir müssen uns auf immer neue Weise auf Dinge einlassen. Unsere Wahrnehmung muss sich dabei an neue Muster und Anforderungen anpassen. Die Sinnesreize, die auf uns einströmen, haben durch die vermehrte Anwendung von visuellen Effekten zugenommen.

Immer schneller müssen wir immer mehr Information verarbeiten. Durch diesen Umstand stehen unser Körper und Geist auch immer öfter unter Hochspannung, um alle Sinnesreize verarbeiten zu können. Dies kann zu Stress und auch körperlichen Beschwerden führen. Sensible Menschen sind, durch die weniger umfangreiche Filterung von Reizen, besonders gefährdet. Dabei muss nicht nur unser Gehirn viel mehr Informationen verarbeiten, diese müssen auch erst einmal rezipiert und erfahren werden. Dies bedeutet, dass wir im Alltag oft völlig unter Strom stehen. Die vielen und vielfältigen Impressionen erfordern von uns ein hohes Maß an Flexibilität und eine schnellere Auffassungsgabe.
Daraus folgen neurowissenschaftliche Konsequenzen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Reizdichte sowie auch Frequenz um vieles erhöht.

„Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung“ erklärte bereits 1974 der Psychologe und Kulturkritiker Walter Benjamin. Was wir durch unsere Sinne erkennen, verarbeitet unser Gehirn stets unter Einbeziehung bekannter Strukturen und individueller Erfahrungen. Das Gehirn ist im ständigen Vervollständigungsmodus und versucht Zusammenhänge zu finden, wo es teilweise keine gibt. Diese automatischen neuronalen Prozesse laufen vor allem im Stirnlappen des Gehirns ab. In der digitalen Kommunikation und besonders in der Werbung wird dieser Vorgang gezielt von Medienmacher:innen genutzt. Bestimmte Sinnesreize sind stärker mit individuellen kulturellen oder persönlichen Erfahrungen verknüpft, andere hingegen sind allgemeingültiger und lösen bei einem breiten Publikum dieselben Emotionen aus. Um sicherzustellen, dass digitale Innovationen dem Menschen auch wirklich dienlich bleiben, bedarf es einer umfangreichen Bildung in diesem Sektor. Neben dem Know-How über die Anwendung von neuen Technologien bedarf es besonders einer Bewussten kritischen Betrachtung derselben. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Herausforderungen, die der Prozess der Digitalisierung mit sich bringt, gilt es eine Lösung darüber zu finden, wie diese digitale Welt gestaltet werden muss, um auch wirklich einen Mehrwert und Nutzen daraus zu generieren. Die Weiterentwicklung der Perfektion der Bildbearbeitung wird fortgesetzt. Richtlinien zum Schutz der Mediennutzer:innen müssen daher überdacht und umgesetzt werden.

Quellen: Michael Wedel Hrsg., Special Effects in der Wahrnehmung des Publikums, Springer VS Felix Zechner, Konventionen der Wahrnehmung – Realität und Vision im Film vs Medialer Suggestion in der Alltagsrealität unter besonderer Berücksichtigung von VFX, Ostfalia Christian Bellebaum, Patrizia Thoma, Irene Daum, Neuropsychologie, VS Verlag Jesko Hatzakis, Bilder, die das Weltbild bilden: Aspekte, Entwicklung und Techniken der Bildmanipulation, Hochschule Mittweid

Autor: Philipp Angerer – 3D Artist


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