Easter Eggs der Filmproduktion: Der „Wilhelm Scream“


Sagt dir der „Wilhelm Scream“ etwas? Wahrscheinlich hast du ihn schon einmal gehört, auch wenn dir der Name nichts sagen sollte. 😊

Der „Wilhelm Scream“ ist ein Soundeffekt, der die Welt schon seit über 70 Jahren begleitet. Während dieser Sound fast jedem vertraut ist, ist die Geschichte dahinter nicht unbedingt bekannt.

Eine kleine „Wilhelm Scream“ Montage:

Heute erkunden wir die Ursprünge dieses legendären Soundeffekts und beleuchten seine vielfältige Verwendung und anhaltende kulturelle Bedeutung.

Inhalt

Die Urspünge

Alligator-Szene

Der „Wilhelm Scream“ kann bis zum Jahr 1951 zurückverfolgt werden. Der unverwechselbare Todesschrei wurde für den Western „Distant Drums“ aufgezeichnet und in mehreren Szenen verwendet.

Also der Film selbst ist jetzt nicht unbedingt ein Meisterwerk: Im Lexikon des internationalen Films lautet eine der Kritiken: „Ausschweifend angelegte naive Wildwest-Saga mit vielen Ungereimtheiten, inszeniert in überaus bunten Farben.“
Aber das tut jetzt nichts zur Sache. 😉

In einer Szene des Films fliehen Soldaten vor den Kriegern des Seminolen-Stammes durch einen Sumpf. Einer der Soldaten wird von einem Alligator attackiert und stößt mit seinen letzten Atemzügen diesen eindringlichen Schrei aus. Er ward nie wieder gesehen. Nur sein Schrei überlebte und das bis heute. Der „Wilhelm Scream“ war geboren.

Original-Tonaufnahmen

Wie bei vielen Soundeffekten in Filmen wurde der Schrei nicht während der Produktion aufgenommen, sondern später im Tonstudio. Der Synchronsprecher bekam eine recht simple Anweisung vom Tonmeister: „Ein Mann wird von einem Alligator gebissen und schreit.“ Sechs Schreie wurden in einem Take eingespielt, und der fünfte Schrei auf der Aufnahme wurde zum legendären „Wilhelm Scream“.

Sheb Wooley, ein nicht namentlich genannter Synchronsprecher, der in „Distant Drums“ auftrat, wird als die wahrscheinliche Stimme hinter dem Schrei genannt. Diese These wurde durch ein Interview mit Wooleys Witwe im Jahr 2005 unterstützt. Sie bestätigte, dass Wooley darüber scherzte, wie gut er darin war, in Filmen zu schreien und zu sterben.

Und wieso der Name „Wilhelm Scream“?

Zwei Jahre später griff der Western „The Charge at Feather River“ (1953) auf denselben markanten Soundeffekt zurück.
In einer Szene wird ein Soldat namens Wilhelm von einem Pfeil getroffen. Das Geschoß durchbohrte Wilhelms Oberschenkel und entfesselte, nach 2 langen „Wilhelm Scream“-losen Jahren, wieder diesen dramatischen Schrei.

Der unglückliche Private Wilhelm sollte von diesem Moment an für immer mit diesem Schrei verbunden bleiben und wurde unfreiwillig zum Namensgeber des berühmtesten „AHHHHHHHHH“s in der Filmgeschichte.

Der Aufstieg des „Wilhelm Scream“

Ein Insider-Witz

Aufgrund der hohen Kosten für die Erstellung von Soundeffekten zu jener Zeit nutzte Warner Bros. den „Wilhelm Scream“ mehrfach wieder. In den 1950er und 1960er Jahren wurde er so in zahlreichen Warner Brother Western und Abenteuerfilmen eingesetzt und entwickelte sich schnell zu einem Insider-Witz unter Tonspezialist:innen. Der legendäre Sounddesigner Ben Burtt, damals noch ein Teenager und begeisterter Film-Nerd, wurde auf dieses außergewöhnliche „Easter Egg“ aufmerksam.

Jahre später, Anfang der 1970er Jahre, war Burtt Filmstudent an der „University of Southern California“. Zusammen mit seinem Kollegen Richard L. Anderson begannen sie als Scherz, eine Kopie des berühmten Schrei-Effekts in die Studentenfilme einzubauen, an denen sie zu dieser Zeit arbeiteten. Es waren diese beiden jungen Studenten, die dem Soundeffekt den Namen „Wilhelm Scream“ gaben, da sie laut Burtt keine andere Möglichkeit sahen, die unspezifisch benannte Datei zu identifizieren. Bei ihren ersten bezahlten Jobs nutzten sie die Gelegenheit, sich einen Scherz zu erlauben, indem sie heimlich den Soundeffekt in Trailer für Martial-Arts-Filme einbauten.

Dieser einzigartige Soundeffekt, zunächst nur ein Insider-Witz, fand bald eine viel größere Bühne und erreichte ein weltweites Publikum – oft ohne, dass sich die Zuhörer seiner Bedeutung bewusst waren.

Der Wendepunkt

Der Wendepunkt kam 1977, als Ben Burtt für die Soundgestaltung von „STAR WARS – Episode IV – A New Hope“ engagiert wurde. Nun hatte er die Möglichkeit, ganze Studioarchive zu durchforsten, um die besten Soundeffekte für seinen neuen Job zu finden und fand dabei die Originalaufnahme des „Wilhelm Scream“ aus dem Jahre 1951. Natürlich ließ es sich Burtt nicht nehmen, seinen Lieblingssoundeffekt gleich in das bahnbrechende Science-Fiction-Epos einzubauen.
Den großen Auftritt hatte schließlich der „Wilhelm Scream“ in einer Szene am Todesstern, als Luke Prinzessin Lea rettete und mit seinem Blaster einen Stormtrooper ins Jenseits beförderte.

Von diesem Moment an tauchte der „Wilhelm Scream“ in zahlreichen Filmen auf, die Burtt vertonte, einschließlich der nachfolgenden „STAR WARS“-Teile und der „Indiana Jones“-Trilogie. Später merkte er an, der „Wilhelm Scream“ sei ein Insider-Witz gewesen, der außer Kontrolle geraten sei.

Durchdringung der Popkultur

Nach seiner Verwendung in „STAR WARS“ wurde der Soundeffekt rasch zu einem beliebten Meme in der Filmbranche und tauchte regelmäßig als „Easter Egg“ in zahlreichen Hollywood-Produktionen auf. Was einst ein Insiderscherz unter Sounddesigner:innen begann, entwickelte sich zu einem echten Phänomen der Popkultur. Anscheinend besagt ein ungeschriebenes Gesetz in Hollywood: „Du sollst mindestens einmal den Wilhelm Scream ertönen lassen.“ Anders ist dieses Phänomen nicht erklärbar. 😉

Der „Wilhelm Scream“ hat sich mittlerweile in Hunderten von Filmen, Fernsehserien, Videospielen und sogar Werbespots eingeschlichen. Von „Titanic“ und „Herr der Ringe“ über „Toy Story“ und „James Bond“ bis hin zu „GTA“ und „The Witcher“: Kaum ein Medium bleibt von diesem ikonischen Soundeffekt verschont.

Ein Schrei sagt manchmal mehr als tausend Worte. Achte doch beim nächsten Binge-Watching darauf, wenn jemand die Klippe herunterstürzt, vom Pfeil getroffen wird oder explodiert. Vielleicht erklingt ja ein „Wilhelm Scream“.

Autor: Lucas Riklin – Creative Director, Producer


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